Folklore, die es nicht gab
poetics and politics of fabric
Folklore, die es nicht gab
poetics and politics of fabric
Die Arbeit mit Stoff hat sich in unser Theaterarbeit zu einem allumfassenden Phänomen entwickelt, das nun auch die Grenzen der Bühne überschreitet. Im Laufe der Jahre fanden zahlreiche Ateliers statt, die care-ing, Kreativität und Erbe der hier zusammenkommenden Menschen würdigen. Jetzt befragen wir den Stoff: Wie heißt du? Woher kommst du? Bist du überall beliebt? Hast du ein zu Hause? Was gibt dir Energie? Was ist dein Wert? Wo ist deine Familie? Was ist deine Bedeutung? Bist du glücklich? Bist du spirituell? Gehörst du jemandem? Wie alt bist du? Wie kommst du von A nach B? Wo siehst du dich in 100 Jahren? und entwickeln zahlreiche emanzipatorische und künstlerische Formate für und mit der Labsa Community & Guests.
GESCHICHTE TRAGEN
Millionen von Menschen schätzen die Stoffe von Vlisco, Jansen & Julius und anderen niederländischen Stofffabrikanten, die seit über 150 Jahren den afrikanischen Markt und die Diaspora mit feinem Zwirn und schicken Mustern beliefern. Doch bleiben wir vorerst in Westfalen: bis in die 1960 Jahre produzierten die Stoffdruckereien Habig in Herdecke und Göcke & Sohn (davor Ribbert) in Hohenlimburg Stoffe, die alleine für den afrikanischen und asiatischen Markt bestimmt waren. In der Sammlung der LWL-Museen für Industriekultur befinden sich mehrere Objekte und Fotografien, die Produktionsbedingungen in Deutschland und Nutzung der Stoffe unter anderem im kongolesischen Alltag zeigen. Das Konvolut steht für deutsche Kolonialgeschichte: "Auf den Spuren der deutschen Kolonialarbeit knüpfte die Familie Ribbert Handelsbeziehungen." Die exportierten und populär gewordenen Muster von Habig, Ribbert, Göcke, Vlisco & Co. werden heute als "typisch afrikanisch" wahrgenommen. Es ist nur ein negativer Aspekt des Kolonialismus auf dem Kontinent: Wax ein industriell gefertigtes Massenprodukt, dass zum größten Konkurrenten der traditionellen afrikanischen Textilien wurde.
Foto: Hauptversammlung der Stoffdruckerei HABIG (1954)
ERBSCHAFTEN
Foto: Aissatou Fortune Walitza-Ndam, Adjara Coulibaly, Kadi Midimiho Ouattara Danawou Cécile
An der Seite von Aissatou Fortune Walitza-Ndam & Yacouba Coulibaly recherchieren unsere Komplitz:innen Adjara Coulibaly in Abidjan, Kadi Midimiho Ouattara Danawou Cécile in Paris und Anne Ndam in Baïgom ihre ganz persönlichen familiären Stoffquellen. Denn, die Mode auf dem afrikanischen Kontinent geht schon lange über das rein kommerzielle hinaus im Gegensatz zu Europa, sie ist immer noch an kulturelle Identitäten, Ritten und Initiationswege gebunden. Einer der bemerkenswertesten Aspekte der Arbeit an „Folklore, die es nicht gab“ ist die Würdigung der Erbschaft im Kontext der Migration. „Ich denke wir sollten anfangen zu schätzen was wir zuhause hatten“, so Aissatou Fortune Walitza-Ndam. Bewusstsein schaffen für die eigene Identität, für die eigene afrikanische Herkunft, darum geht es nicht nur den Modemacherinnen und Modemachern in Afrika, sondern auch vielen Menschen in der Diaspora.
Foto: Yacouba Coulibaly
Foto: Adjara Coulibaly veranstaltet am 1.06.2024 gemeinsam mit ihren engsten Freund:innen eine Stoff Party in Abidjan um gemeinsam ihre eigenen Stoffdepot zu öffnen.
PERFORMANCES
29.09.2023/ 19 Uhr NICE TEXTURE im Theater im Depot in Dortmund
29.11.2023/ 18:30 GIB MIR DEN STOFF im Stoffgeschäft R&L Textil in Dortmund
15.06.2024/ 15-17/ Kunstmuseum Bochum NICE TEXTURE wird in der Installation „Library of Stretching and Loosening up“ im Rahmen der Ausstellung "Die Verhältnisse zum Tanzen bringen" in französischer und deutscher Sprache präsentiert. Von und mit: Aissatou Fortune Walitza-Ndam, Alima Ibrahim, Anna Buchta, Anna Hauke, Betty Schiel, Danawou Cecile Kady Midimiho Ouattara, Emilia Hagelganz, Eric Ndam, Eyaad Mostafa, Job Nsungani, Kumba Conde, Ralf Tibor Stemmer, Yacouba Coulibaly
„In Europa ist es einfach nur Stoff", nach einer rassistischen Erfahrung als Kund:in beim kauf eines Waxstoffs in einem niederländischen Stoffmarkt beginnt Fortune eine autobiografische Recherche und entdeckt Methoden der Textilherstellung wieder, die schon vor der Kolonialzeit in Kamerun eine lange Geschichte hatten. Sie führt Gespräche mit ihrer Mutter Anne Ndam über Erbschaft und Tod und die damit verbundenen Gefühle. In Foumban stößt sie auf die inspirierende Geschichte der Kunsthandwerker:in Anetou Nzie Mbouemboue und gibt bei ihr einen traditionellen Bamoun Stoff in Auftrag. Zu Gast ist auch unsere langjährige Kompliz:in Danawou Cecile Kady Midimiho Ouattara. Im Koffer von Abidjan nach Paris und von dort zu uns ins Kunstmuseum Bochum bringt sie ihren ganz persönlichen Familien-Stoff. Betty Schiel und Emilia Hagelganz recherchieren zur früheren Stoffdruckerei Göcke & Sohn AG und finden das Unternehmen auf der Liste (ns-in-ka.de) derjenigen, die im Nationalsozialismus von der Zwangsarbeit der Kriegsgefangenen profitiert haben. Bei genauerem Hinschauen auf die Namensliste der betroffenen Personen im Arolsen Archives wird klar, dass es sich vor allem um sehr junge Frauen handelt, die jüngste war 12 Jahre alt. Die Frauen wurden zum größten Teil aus der ehemaligen UdSSR, unter anderem der Ukraine und Belarus, verschleppt. Die Zwangsarbeiter:innen produzierten im Unternehmen zuerst Fallschirme später ab 1944 Heck- und Ruderanlagen für die Flugbomben "V 1", die auch als (V)ergeltungswaffe bezeichnet wurden. Im Atelier Couture on Fire wird ein Flugobjekt aus Stoff produziert, auf der Suche nach einer postdokumentarischen Erinnerung.
Wie wird der Stoff ge- und vererbt? Auf diese und weitere Fragen suchen wir mit euch an diesem Nachmittag in einigen Metern Stoff Antworten. Nice Texture treibt einen Keil in den strukturell rassistischen Stoffhandel von Europa in die Westafrikanischen Länder. In biografischen, nostalgischen und fantastischen Sequenzen mit live Musik und Choreographien suchen wir Muster von Vernetzungen und Erinnerungen im Stoff und kreieren ein common space for remembrance, dialoge, and reflecture on transnational imperialistic relations. Gehostet wird das Ensemble von Emre Abut und Eva Busch.
WORKSHOPS
14.06.2023/ 10-14/ LWL Museum Zollern DAS IST KOLONIAL in der Ausstellungswerkstatt in Dortmund Bövinghausen mit den Gäst:innen: Studierende des Seminars für Kulturanthropologie des Textilen der Technischen Universität Dortmund. Anhand der Video-Dokumentation, zum Besuch eines holländischen Marktes für Waxstoffe, des Konvoluts Stoffe aus den 50er Jahren der Firma Habig und den handgearbeiteten Kostümen und Masken des Transnationalen Ensemble Labsa üben wir miteinander, über die Konstruktion des Selbst im Kontext der Kolonialgeschichte und unsere transkulturellen Beziehungen zu reflektieren. Durchgeführt von: Adam Amid Adam, Aissatou Fortune Walitza-Ndam, Ange Kader Bolou, Bhavdeep Kumar, Emilia Hagelganz, Eric Ndam, Haymanot Tesfay, Job Nsungani, Kelly Demgne Kamdem, Slawa Al Ali, Vite Joksaite, Yacouba Coulibaly, Zofia Bartoszewicz
COUTURE ON FIRE - Join us, easily!
27.-29.09.2023/ 10-15 Uhr COUTURE ON FIRE - Näh_Atelier im Theater im Depot
4.-5.03.2024/ 10-16/ Tomorrow Kiosk COUTURE ON FIRE - Näh_Atelier mit Alima Ibrahim, Anna Buchta, Anna Hauke, Aurica Rostas, Betty Schiel, Ciobana Trifan, Clara Gabor, Emilia Hagelganz, Georgeta Rostas, Job Nsungani, Kumba Conde, Maria Siminoc, Yussra Alasward, Zuzana Gabor
3.05.2024/ 10-20/ Tomorrow Kiosk COUTURE ON FIRE - Näh_Atelier mit Special Guests: Champleins Ludovis Ngahenou & Rodriguez Tankoua mit einer Einführung in Tanz und Geschichte des Ambass Bey. Der Ambass Bey ist ein traditioneller Tanz, der seinen Ursprung bei den Yabassi hat, im Bezirk Nkam in der Region Littoral von Kamerun. Er ist entstanden aus dem Zusammenleben von den Küstenbewohner*innen und den Deutschen in der Zeit, in der Kamerun unter deutschem Protektorat stand. Zwischen verschiedenen Tänzen am deutschen Hof kreieren die Völker der Yabassi rund um das Jahr 1886 den Ambass Bey. Während der deutschen Kolonialzeit in Kamerun wurden viele verschiedene Tänze praktiziert. Dieser schliessen zum Beispiel die traditionellen Tänze Ndombolo und Libisinza ein. Es gab auch Tänze, die von den Kolonisten eingeführt wurden, wie der Walzer, die Polka und der Foxtrott, die zu formalen Anlässen wie Bällen getanzt wurden. Ausserdem hat der koloniale Einfluss auf die Traditionen auch Auslöschungen und Anpassungen der kulturellen Traditionen Kameruns vorgenommen, um sie den aufgezwungenen europäischen Normen anzugleichen. Die Teilnehmer*innen folgen den Spuren dieser Geschichte – bis in den eigenen Körper. Ab 18 Uhr wird im Tomorrow Kiosk gegessen.
14., 17., 27., 28.05.2024/ 10-16 Uhr/ Tomorrow Kiosk COUTURE ON FIRE mit der Gäst:in Yussra Alasward. Aus der kollektiven Kraft heraus, produzieren wir gemeinsam ein Flugobjekt aus Fallschirmstoff, eine Mode Collektion, einen Giraffendruck auf Stoff für eine Figur, Haar Extensions für eine Figur. Ihr könnt mitmachen oder nur zuschauen und die Designerin Alima Ibrahim, Künstlerin Yassra Alaswad, das Näher:innen Kollektiv Amen Juvlja Mundial und Ensemblemitglieder kennenlernen.
HOUSE OF TONGUE & MEMORIES - Join us, easily!
08.09./ 06.10./ 08.11./ 13.12.2023 / 13-20/ Tomorrow Kiosk LADIES FIRST ist ein Empowerment Netzwerk der westafrikanischen Frauen Community in Dortmund. Ein mal im Monat kommen wir im HOUSE OF TONGUE & MEMORIES zusammen, um kollektiv herausgebildete Erfahrungen, Rollen, Energien, Werte und Formen der Fürsorge, zu praktizieren und uns auszutauschen. Initiatorin des Netzwerks Ladies First ist die Erziehungswissenschaftlerin, Referentin für Rassismuskritische Arbeit und Performerin Aissatou Fortune Walitza-Ndam.
5.05.2024 ab 16 / Theater im Depot Bâtir le commun - AM GEMEINSAMEN BAUEN ein Gespräch mit Aissatou Fortune Walitza-Ndam, Betty Schiel, Champleins Ludovic Ngahenou, Emilia Hagelganz, Jens Heitjohann, Johanna Yasirra Kluhs, Rodriguez Tankoua über interkontinentale Bezugnahmen auf das Erbe des Kolonialismus. In Kooperation mit Partie Art.